Selbstmordgedanken - und wie du damit umgehen kannst
Diesen Artikel widme ich einem sehr ernsten Thema – dem Gedanken an Suizid. In der Kunst und in der Geschichte oftmals romantisiert (oder eher
romantisch verklärt), nach früheren Wertvorstellungen die angebrachte Reaktion
auf eine große Schande, sind wir mittlerweile glücklicherweise zu der
Erkenntnis gelangt, dass es eine Vergeudung des eigenen Lebens ist, es selbst
zu beenden.
Dennoch ist Selbstmord auch heute noch ein großes Thema.
Täglich sterben Menschen, weil sie sich selbst das Leben nehmen. An vielen
prädestinierten Orten, wie bekannten Klippen oder großen Brücken (etwa die
Golden Gate Bridge) sind Schilder angebracht, die Menschen vom Selbstmord
abhalten sollen, mit Telefonnummern, die ein Gespräch mit einem
Telefonseelsorger ermöglichen.
Hinter Suiziden oder echten Suizidversuchen stecken nicht
selten psychische Erkrankungen. Doch auch psychisch gesunde Menschen denken
manchmal über Selbstmord nach. Ohne die Absicht diesen auch tatsächlich
auszuführen … nur rein hypothetisch. Genau diese Art von Suizidgedanken möchte
ich in diesem Artikel näher beleuchten.
Zuerst gibt es natürlich die Frage nach dem „Warum“. Weshalb
macht sich ein gesunder Mensch Gedanken darüber, das eigene Leben zu beenden?
Was kann der Grund dafür sein, wenn auch nur in der Theorie, über einen derart fatalen
Schritt nachzudenken?
Natürlich gibt es zahlreiche große Vorbilder. So etwa in der
Literatur: Goethes Werther oder Shakespeares Romeo und Julia, um sehr
prominente fiktive Beispiele zu nennen. Oder aber reale Personen, wie Ernest
Hemingway oder Hunter S. Thompson.
Bekannte Personen, die ihr Leben aus freien Stücken beendet
haben, mögen in so manche Suizid-Überlegung eingeflossen sein – und für den
Betreffenden dazu beigetragen haben, den Suizid als eine starke, romantische,
selbstbestimmte, ja vielleicht sogar weltbewegende Handlung anzusehen.
Doch darin sehe ich nicht den Grund dafür, dass Menschen die bei klarem Verstand sind plötzlich darüber nachdenken wie es wäre, das eigene Leben zu beenden.
Auch ich selbst hatte schon mehrfach Selbstmordgedanken. Doch ich habe mir
intensiv Gedanken über deren Ursache gemacht und bin womöglich zu einem
interessanten Schluss gekommen!
Es ist schon seltsam. Ich bin jemand, der sich mit der eigenen
Sterblichkeit absolut nicht abfinden kann – und trotzdem hatte ich diese Art
von Suizidgedanken immer wieder. Ein Paradoxon, das ausschließlich in
Situationen auftrat, in denen mein Leben auf einem Kurs war, der mir auf Dauer unannehmbar
schien und ich mich gleichzeitig außerstande sah, etwas daran zu verändern.
Vor wenigen Jahren bin ich diesen Gedanken auf den Grund
gegangen und habe sie sogar in meinem Roman »Die Gefängnisinsel« verarbeitet: Martin Eichendorf denkt
im Lauf der Handlung mindestens zwei Mal an Selbstmord.
Während dem Schreibprozess hat es mich wirklich interessiert
den Hintergrund meiner eigenen Suizidgedanken – die ich in Martin Eichendorfs
Lebenswelt abstrahiert habe – zu verstehen. Also bin ich in mich gegangen … und
es ist mir tatsächlich gelungen, die Ursache für diese abwegigen Überlegungen
zu finden! Ich habe nicht nur ihren Ursprung gefunden, sondern auch ihre
Bedeutung analysiert: Mir ist klar geworden, dass sie in Härtefällen sogar ein
positives Zeichen sein können.
Aber jetzt einmal langsam. Suizid ist eine sehr ernste
Sache. Selbstmordgedanken ebenso. Tag für Tag scheiden Menschen aus dem Leben,
weil sie es nicht bei Gedanken oder Plänen belassen. An dieser Stelle muss
dringend zwischen den Begriffen „Selbstmordgedanken“ und „Selbstmordvorhaben“
unterschieden werden. Letzteres ist akut lebensgefährlich – professionelle
Hilfe ist hier sehr dringend anzuraten.
Doch diese hypothetischen Selbstmordgedanken – sei es nur
die Frage „Warum bringe ich mich nicht einfach um?“ oder aber schon
theoretische Pläne, wie man das eigene Leben denn am besten beenden könnte,
etwa möglichst schmerzfrei oder aber möglichst spektakulär – sind nicht
zwingend etwas Schlechtes!
Wie ich dazu komme so etwas zu behaupten? Ganz einfach: Weil
sie möglicherweise ein Zeichen dafür sind, dass wir anfangen uns unseren
Problemen zu stellen! Meiner persönlichen Beobachtung nach sind diese Gedanken
ein erster, kläglicher Versuch ein scheinbar unlösbares Problem zu lösen. Als
erstes kommt die Feststellung: „So wie es ist, kann es unter keinen Umständen
weitergehen!“ Aber uns fehlt vorerst die Möglichkeit etwas zu ändern. Nun fängt
das Gehirn an zu arbeiten und sucht nach alternativen Wegen – und der
offensichtliche, jederzeit durchführbare Weg, eine unannehmbare Situation zu
vermeiden, ist eben rein praktisch betrachtet – so derb das klingen mag – der
Freitod.
Natürlich ist die Option, sich ganz einfach selbst
umzubringen, keine ernsthafte Lösung (einmal abgesehen von Menschen, die
ohnehin sterbenskrank sind und nur noch Qualen leiden …). Aber sie ist ein
erster Lösungsansatz. Ein erstes Anzeichen dafür, dass wir im Begriff sind es
verstandesmäßig mit unserem großen Problem aufzunehmen – also einen Weg zu
suchen, an dem Problem „vorbeizukommen“.
Wie das zu verstehen ist, erlaube ich mir anhand eines
Beispiels aus »Die Gefängnisinsel« zu veranschaulichen: In Roman denkt
Martin Eichendorf an Selbstmord, als er feststellt, dass für ihn kein Weg von
der Gefängnisinsel führt. Dass er nie mehr in echter Freiheit leben wird, seine
Träume niemals erreichen wird und es nur noch eine Frage der Zeit wäre, bis man
ihn wieder gefangen nehmen und in die Zelle sperren würde. Er
konfrontiert sich mit der Aussicht, dass ihm bald vielleicht nur noch die Wahl
bleibt, wieder gefangen genommen zu werden und lebenslang eingesperrt zu
bleiben – oder als freier Mann durch einen Sprung von den nördlichen Klippen
der Gefängnisinsel aus dem Leben zu scheiden.
Doch will er das? Nachdem ihm eine spektakuläre Flucht aus
dem Hochsicherheitsgefängnis geglückt ist, nun einfach nur als freier Mann
sterben? Keineswegs. Da hätte er sich genauso gut im Gefängnis die Pulsadern
aufschneiden können. Viel eher ist es so, dass im ersten Moment – nach dem
Martyrium in Gefangenschaft – die Idee, in Freiheit von den Klippen zu
springen, reizvoller scheint als eine erneute Gefangennahme. Sein Leben würde
er so oder so verpassen – aber so könnte ihn niemand mehr gefangen nehmen … er
wäre also wenigstens bis zum Schluss frei.
Nachdem ihm sein Verstand diesen ersten, einfach und mit
Sicherheit durchführbaren Vorschlag unterbreitet hat, entscheidet er sich aber
dagegen. Natürlich möchte er auch auf keinen Fall zurück ins Gefängnis, aber er
denkt nun als nächstes eben Wege an, die nicht ganz so einfach durchführbar
sind und die – im Gegensatz zu einem Sprung von den Steilklippen – nicht mit
Sicherheit funktionieren werden.
Wie das Beispiel von Martin Eichendorf erkennen lässt,
bedeuten Suizidgedanken meist eigentlich gar nicht, dass wir sterben wollen.
Sie bedeuten nur, dass wir einer bestimmten Sache dringlichst ausweichen
wollen; dass wir unbedingt eine Lösung für ein im Moment nicht lösbares Problem
herbeisehnen.
Meiner Beobachtung nach ist es ganz natürlich, dass diese
rein hypothetischen Suizidgedanken, manchmal einfach der Anfang einer
persönlichen Befreiung sind: Die einzig sofort verfügbare Ausweichroute – die
jedoch ebenso ins Verderben führt. Damit ist sie eben nur auf den ersten Blick
eine Ausweichmöglichkeit, in Wahrheit aber keine attraktive Option.
Geäußerte Selbstmordgedanken, oder aber echte
Selbstmordversuche, sind oft ein Schrei nach Hilfe. Weil wir das Gefühl haben,
selbst nicht mehr damit fertigzuwerden. Nun glaube ich, dass vielen Betroffenen
geholfen sein könnte, wenn sie lernen das Aufkeimen dieser Suizidgedanken
richtig zu deuten: Nämlich nicht als ein Akt der Resignation, sondern als einen ersten, wenngleich sonderbaren Versuch des eigenen Verstandes, einen Ausweg zu
finden.
Es hilft dann im Übrigen nichts, sich lange mit diesen
Überlegungen aufzuhalten. Aber sehr wohl kann es hilfreich sein, ihre Ursache
zu erkennen und damit besser zu verstehen, warum man plötzlich darüber
nachdenkt, sich selbst umzubringen und auch schon eine Art und Weise andenkt,
wie man das bewerkstelligen könnte. Hat man diesen Mechanismus erst durchschaut,
gelingt es sehr viel besser (und schneller) die sinnlosen Gedanken an
Selbstmord abzubrechen und die eigenen Überlegungen stattdessen in eine
sinnvolle Richtung fortzuführen.
Allen die nicht nur manchmal den Gedanken haben, das eigene Leben zu beenden, sondern auch explizit Vorbereitungen dafür treffen, sei gesagt: Es gibt für so gut wie alles eine Lösung!
Allen die nicht nur manchmal den Gedanken haben, das eigene Leben zu beenden, sondern auch explizit Vorbereitungen dafür treffen, sei gesagt: Es gibt für so gut wie alles eine Lösung!
Die Nummer der österreichischen
Telefonseelsorge ist: 142
Foto: Thomas Sailer B.A.
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